Donnerstag, 27. Juni 2019

[Blogtour - Die Magie der Bücher] Interview Buchbindermeister Günther Gerdes

Im Rahmen der schönen Blogtour zum Buch "Die Magie der Bücher" von Nadja Losbohm, habe ich ein Interview mit einem Buchbindermeister, der zufälligerweise auch mein Opa ist, geführt. 

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Mein Name ist Günter Gerdes, bin 1938 in Hannover geboren und lebe seit 15 Jahren an der Weser. Nach meiner Lehrzeit war ich drei Jahre lang als Stabsunteroffizier bei der Bundeswehr. Danach war ich 3 Jahre lang als Industriebuchbinder in der Druckerei Osterwald tätig und habe in der Zwischenzeit meine Meisterprüfung mit einem "Gut" bestanden. Ich habe danach in meiner ehemaligen Lehrwerkstatt gearbeitet und sie von meinem ehemaligen Lehrmeister übernommen. Bis zu meinem Rentenalter war ich Buchbindermeister. Als die Computer gängiger und der Fernseher erfunden wurde, sind meine Aufträge enorm gesunken. Heute gibt es nur noch 4 von 40 Buchbindereien in ganz Hannover. Jetzt als Rentner, lese und male ich sehr viel. Auch schreibe ich nun meine eigenen Bücher. 

Wie bist du zum Buchbinden gekommen?

Es bekam selten jemand seinen Berufswunsch erfüllt, es gab leider zu wenige Lehrstellen. Die große Chance bestand im Handwerk. Das Handwerk hat goldenen Boden meinte mein Opa und er behielt Recht. Im Frühjahr 1954 wurde ich beim Arbeitsamt vorstellig und hoffte auf einem annehmbaren Job. Der gute Mann auf der anderen Seite des Schreibtisches sagte nur: "Entweder wirst du Tischler oder Buchbinder ". Meine Antwort kam nach 10 Sekunden "Tischler, nein nur das nicht, dieser Staub und dieser Lärm, dann lieber Buchbinder ", obwohl ich damals gar nicht so recht wusste, was ein Buchbinder so zu machen hat.

Wie waren deine Lehrjahre?

Wie Sklavenhaltung!
Ich bekam 25 D-Mark im Monat, das sind umgerechnet 12,50 €. Es war eine 48 Stunden Woche. Eine Stunde vor Arbeitsbeginn sollte ich die Gasflamme für den Heissleim anzünden und nach Feierabend musste ich die Bude ausfegen und Töpfe sowie Pinsel reinigen. Ich war also 10 Stunden am Tag im Betrieb und das auf engem Raum. Es war für mich ein harter Job in der Buchbinderei, man gab mir nur eintönige Arbeit und motzte rum, wenn ich sie nicht schnell genug erledigt hatte. Um es kurz zu machen und es vorwegzunehmen: Ich habe viel gelernt, nur nicht das Bücherbinden. Das erlernte ich in der Berufsschule oder nach Feierabend von einem netten Gesellen. Etwas Positives konnte ich aber doch aus der Lehrzeit mitnehmen und das war kurioserweise das erlernte Schach spielen. Im Frühjahr 1957 legte ich die Gesellenprüfung ab. Die theoretische Prüfung machte mir keine Sorgen, aber die Praktische. Doch wie war ich erstaunt, dass ich die Handwerksprüfung mit einem "Gut" bestanden hatte.

Warum hast du dich selbständig gemacht?

Um frei zu sein, frei von Vorschriften. Es ist natürlich richtig, das Vorschriften gemacht werden und der Arbeitsablauf vorgegeben ist, aber als vernünftiger Mensch weißt du selbst, die Arbeitsabläufe. Man hielt die Angestellten für doof. Somit wurde gesagt: " Hör zu mein Lieber, wenn du damit fertig bist, dann machst du das und wenn du das fertig hast, dann machst du das ". Das waren unkomplizierte Dinge, die waren selbstverständlich. Auch habe ich mich selbständig gemacht, um mehr Geld zu verdienen und kreativ zu sein.

Was ist der erste Schritt beim Buchbinden und welche Materialien benötigt man? 

Die beschriebenen Seiten werden auf DIN A0 gedruckt und dann wird das so weit gefalzt (geknickt), dass es in Größe DIN A4 oder DIN A5 ist. Falzen kann man von Hand oder mit der Falzmaschine. Danach kommt die Fadenheftung oder das Lumbeck Verfahren. Mit der Fadenheftung näht man die Seiten mit Nadel und Faden zusammen und beim Lumbeck Verfahren werden die Seiten zusammengeleimt. Als nächstes kommt der Einbanddeckel. Das Buch wird mit Papier, Gewebe, Leder oder Pergament bezogen. Leder und Pergament sind teuer und schwer zu verarbeiten. Am günstigsten ist Papier, was heute fast nur verwendet wird, da sonst die Bücher viel zu teuer wären.

Welches Buch war das schwierigste, das du binden musstest?

Das war die französische Einband Art. Nennt sich auch Franz-Band. Es ist die teuerste und aufwendigste Einband Art. Das Besondere daran ist, dass es ganz in Leder ist und man muss es an einem schon fertigen Buchblock einbinden. Das komplizierteste ist der Einschlag am Rücken. Der Franz-Band muss immer vergoldet werden, das heißt, dass der Titel muss goldend eingeprägt und die Seitenkanten werden mit einem Goldschnitt versehen. Dieser Einband ist ein Kunst-Einband und man lernt es nur in der Kunsthochschule.

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